Mit dieser Serie veröffentlicht NEROS in loser Folge Wissenswertes zu Rohstoffen und Gesteinen, natürlich immer auch mit einem Bezug zur Schweiz. Die Folien stammen von Rainer Kündig aus Vorlesungen im Themenbereich angewandte Mineralogie, zusammengestellt für das Departement Erdwissenschaften der ETH Zürich, für NEROS und für andere Lehrveranstaltungen.
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Bild: Internet -> www.lagerhaus-hippach.at

 

 

 

 

Der Jahreszeit entsprechend: Informationen zum Energierohstoff Kohle

 

 


 

 

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Kontrovers wahrgenommener Rohstoff

Kaum ein Rohstoff wird so kontrovers wahrgenommen wie Kohle. Sprechen die einen vom baldigen Ende der Nutzung von Kohle, so sind andere überzeugt, dass die Kohle erst am Anfang steht.

Es lohnt sich, ein paar Fakten aufzulisten zu diesem Rohstoff, der in der Schweiz von grossen Bevölkerungsteilen kaum mehr physisch zur Kenntnis genommen wird.

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Knapp ein Drittel des Welt-Primärenergieverbrauches geht auf Kohle zurück. Ein grosser Anteil wird zur Erzeugung von Strom verwendet, man spricht von einer sogenannten Verstromung der Kohle. Weltweit sind es etwa 40% der elektrischen Energie, die so erzeugt werden.

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Wie bei den meisten Energierohstoffen ist der Handelspreis von Kohle von zahlreichen wirtschaftlichen und politischen Faktoren abhängig und geprägt von grossen Schwankungen. Seit 2016 steigt der Preis und hat mittlerweile die Baisse von 2015/16 mehr als wettgemacht.

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Gemäss Extrapolationen der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe BGR sind die statischen Reichweiten von Kohle gross. Bei Steinkohlen rechnet man mit Reserven für etwa 120 Jahre, bei Braunkohlen für etwa 260 Jahre. Die Ressourcen betragen zwischen 2800 bis 3700 Jahre. In Gigatonnen Erdöläquivalent ausgedrückt sind es schlichtweg gigantische Reserven und Ressourcen (untere Grafik im Bild).

Es sei hier ausdrücklich auf den Unterschied von Reserven und Ressourcen hingewiesen. Die jeweils kleinere Zahl bezieht sich auf die sicher vorhandenen und mit heutiger Technik gewinnbare Kohle, die Ressourcen beziehen sich ebenfalls auf gesicherte Vorkommen, bedingen aber einen grösseren technischen Aufwand und ergo höhere Produktionskosten (also geringeren Ertrag).

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Kohleförderung und -verbrauch  –  Umweltauswirkungen

Es sind denn auch nicht die Reserven und Ressourcen an Kohle, welche die Nutzung dieses Energierohstoffes kritisch machen. Vielmehr sind es die enormen Umweltauswirkungen insbesondere wegen der hohen CO2-Belastung  und der Luftverschmutzung.  China und Nordamerika und in zunehmend auch Australien fördern am meisten Kohle. Die ersteren beiden gehören auch zu den grössten Verbrauchern. Eine Collage von Weltsteinkohleförderung und -verbrauch kombiniert mit der weltweiten Luftverschmutzung spricht eine deutliche Sprache.

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Das Kohlen-Paradox

Tim Appenzeller (Senior Editor der renommierten Zeitschrift «National Geographic», hat dies vor einigen Jahren mit einem vielsagenden Kohlen-Paradox ausgedrückt: Wir können nicht ohne Kohle leben, aber können wir mit Kohle überleben. Tragisch ist übrigens, dass die Lebenserwartung in Chinas Regionen mit Kohleförderung deutlich niedriger ist als in anderen Regionen, dies haben mehrere unabhängige Studien gezeigt.

 

 

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Doch was ist eigentlich Kohle?

Wie entsteht sie? Welche Elemente sind ausser Kohlenstoff auch noch in der Kohle drin? Haben wir in der Schweiz auch Kohle (wirklich Kohle, nicht Geld)?

Werfen wir kurz einen Blick auf die Bildung von Kohle.

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Inkohlung

Zwei wesentliche Voraussetzungen sind nötig, damit sich Kohle bilden kann. Erstens muss eine grosse Menge an organischem Material (meist pflanzlichen Ursprungs) vorhanden sein und zweitens ein Prozess, die sogenannte Inkohlung, wo mit zunehmender Überdeckung (zunehmender Druck) und mit viel Zeit das organische Material langsam in Kohle umgewandelt wird. Die Grafik zeigt, wie aus Torf, einer häufigen Vorstufe von Kohle, über Braunkohle (Lignite), Steinkohle (Bituminous Coal, Hard Coal) schliesslich Anthrazit entstehen kann. Der Kohlenstoffanteil nimmt dabei stetig zu von etwa 35% bis etwa 98% in einem hochwertigen Anthrazit.

Die Umwandlung des organischen Materials zu Kohle(nstoff) geschieht mit zunehmender Tiefe über zwei wesentliche Phasen

Biochemische Phase (bis ca. 10 Meter Tiefe). Ähnlich wie in einem Komposthaufen, aber wegen der Überdeckung mit wesentlich weniger Luft, findet zuerst eine Vertorfung statt. Mikroorganismen sorgen für den Abbau von Zellulose und Lignin und bewirken eine zunehmende Umwandlung von Huminstoffen in Kohlenstoff.

Geochemische Phase (ab ca. 10 Meter Tiefe): Der Wassergehalt nimmt massiv ab, eine weitere Umwandlung (Abbau) von Zellulose und Lignin findet statt. Gase (CO2, CH4) entstehen. Diese sind vorerst gebunden an die Kohle. Später (gegen Anthrazit zu) erfolgt deren Abspaltung.

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Der Wassergehalt und flüchtigen Bestandteile (Gase) können denn auch ideal beigezogen werden für eine Unterteilung der Kohle in Kohlearten. Braunkohlen können gut anhand des Wassergehaltes und Steinkohlen anhand der flüchtigen Bestandteile unterschieden werden. Die deutsche Nomenklatur nimmt darauf Bezug und gibt mit dem Namen auch gleich Hinweise auf die technische Verwendung der Kohle.

 

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Langsam und stetig

Wie erwähnt ist der Prozess der Kohlenbildung (die Inkohlung) sehr langsam. Das obenstehende Bild aus dem historischen Kohlenbergwerk Riedhof bei Aeugst am Albis (ZH) visualisiert dies schön. 2000 Jahre Erdgeschichte wurden benötigt, um 40 Zentimeter Braunkohle von mittelprächtiger Qualität zu generieren – und dies vor gut 14 Millionen Jahren. Bis ein hochwertiger Anthrazit im Wallis entstehen konnte, waren gegen 300 Millionen Jahre und eine Versenkungstiefe von einigen Kilometern im Spiel!

 

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Kohle in geologischen Zeiten

Die meiste Kohle (54%) entstand im Tertiär, also 11 bis 25 Millionen Jahre vor heute. 49% der Kohlevorkommen stammen aus dem Paläoziokum (Erdaltertum). Der geologische Zeitabschnitt «Karbon» hat sogar den Namen nach diesem Rohstoff. Nur etwa 5% der Kohlevorkommen stammen aus dem Mesozoikum. Wenn man sich daran erinnert, dass mit zunehmender Versenkungstiefe und zunehendem Alter die Kohle immer besser wird, ist es nicht erstaunlich, dass in der Schweiz die hochwertigsten Anthrazit-Kohlen im den Paläozoischen Serien im Wallis liegen, geographisch gesehen etwa von Martigny bis hinauf nach Goppenstein. Einige Vorkommen von mesozoischen Kohlen sind im Berner Oberland zu finden, beispielsweise bei Kandergrund oder bei Boltigen. Eozäne Kohlen finden sich am Niederhorn über dem Thunersee und jüngere, tertiäre Kohlenflöze finden sich in den subalpinen und mittelländischen Molasseeinheiten von Lausanne im Südwesten bis Schänis im Nordosten. Auch sehr junge und daher vom Energieinhalt her sehr schlechte Schieferkohlenflöze (zwischeneiszeitlich) sind bekannt, so beispielsweise bei Wetzikon, Uznach, Zell/Gondiswil um nur einige zu nennen.

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Kohle in der Schweiz

Die Übersichtskarte der Schweiz zeigt etwa 250 Kohlevorkommen und wiederspiegelt durch die verschiedenen Symbole indirekt die Geologie. Hellbraun sind die Schieferkohlen markiert, dunkelbraun die Steinkohlen und schwarz die Anthrazitkohlen. Genauere Informationen finden sich im Rohstoffinventar der Schweizerische Geotechnischen Kommission und der Landesgeologie/swisstopo (map.sgtk.ch)

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Obrigkeiten

In absoluten Mangelzeiten und insbesondere während der beiden Weltkriege wurden die Rohstoffe in der Schweiz jeweils vom sogenannten «Büro für Bergbau» koordiniert. Es war dies ein Bereich des Eidgenössischen Kriegs-, Industrie- und Arbeitsamtes und schon dessen Namensgebung drückt die Notsituation und Ausrichtung umfassend aus. Auf dem Bild, aufgenommen vor dem historischen Bergwerk Riedhof bei Aeugst a.A. (ZH), ist in der Mitte ein Vertreter dieses Amtes, links und rechts flankiert von den damaligen Konzessionären (den Direktoren der Georg Fischer AG und Sulzer AG). Links aussen ist der Betriebsleiter (der vom Bergwerk Gonzen bei Sargans gestellt wurde) und rechts aussen der beratende Geologe, Dr. Armin Von Moos, aus dessen Archiv auch die Aufnahme stammt.

Heute wird die Nutzung von Rohstoffen in der Schweiz übrigens von den einzelnen Kantonen in Bergbaugesetzen (Bergregalen) geregelt. Es gibt kein nationales Bergbaugesetz. Die beim Bund zuständigen Fachleute und Organisationen finden sich im Bundesamt für Landestopografie (swisstopo/Landesgeologie), beim Bundesamt für Umwelt BAFU und beim Bundesamt für Energie BFE. Wissenschaftliche Kommissionen wie beispielsweise die Schweizerische Geotechnische Kommission SGTK führen im Auftrag des Bundes Archive und Sammlungen zu den schweizerischen Rohstoffvorkommen und führen wissenschaftliche Studien durch.

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Einheimische Kohle hat in der Schweiz (ausser für die Wissenschaft) heute keine Bedeutung mehr. Die während dem Zweiten Weltkrieg gesamthaft in der Schweiz abgebaute Kohlenmenge von 1.2 Millionen Tonnen, wäre mit einem modernen Schaufelradbagger, wie er beispielsweise in Deutschland (Lausitz) in Betrieb steht, in rund 60 Stunden gefördert.

Abbaumethoden

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In der Regel werden heute die untief liegenden Braunkohlenflöze (bis ca. 200 Meter), aber auch Steinkohlevorkommen, welche durch geologische Prozesse oberflächennah liegen, im Tagebau genutzt. Tiefer liegende Steinkohleflöze (teils bis über 1000 Meter tief) werden mittels Bergbau genutzt, vielerorts mit moderner, weitgehend automatisier Abbautechnik.

 

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Abbaumethoden und Umwelt

Mit einer aus Umweltschutzgründen sehr umstrittenen Abbaumethode, dem sogenannten Mountain Top Removal (MTR) werden in den Appalachen (USA) horizontal liegende Kohlenflöze abgebaut, indem ganze Bergspitzen weggesprengt und mit dem Abraum benachbarte Täler aufgefüllt werden. Auf Satellitenbildern sind diese enormen Landschaftsveränderungen mittlerweile gut zu sehen.

Auch die grossen Tagebaue im Nordosten von Deutschland (Brandenburg, Lausitz) sind auf Satellitenbildern deutlich zu sehen. In der Bildmitte ist der Tagebau Welzow Süd, dessen Dimensionen klar werden durch das im gleichen Massstab eingeblendete Bild der Region Zürich-Zug. Auf dem grossen Satellitenbild ebenfalls gut sichtbar sind ältere, bereits abgebaute und renaturierte Abbaugebiete mit Landwirtschaft, Wald und Seen.

 

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Kohle – intern

Der «interne» Aufbau der Kohlen ist im Detail sehr komplex. Unter dem Mikroskop zeigen sich, ähnlich wie die Mineralien in Gesteinen, sogenannte Mazerale. Die drei wichtigsten Mazeralgruppen sind im Bild 20 dargestellt. Die schwarzen und hochglänzenden Vitrinite entsprechen den gleichmässigsten Bestandteilen der Kohle. Die sogenannte Vitrinit-Reflektanz kann direkt als Gradmesser der Inkohlung beigezogen werden. Die mattschwarzen Anteile der Kohle bestehen zu grossen Teilen aus nicht humifizierbaren Pflanzenbestandteilen. Ein Grossteil der flüchtigen Bestandteile (Gase) sind an diese Mazeralgruppe gebunden. Die Inertinite bestehen aus Gefügebestandteilen, die sich sich bei der Inkohlung wenig ändern und bei der Verbrennung einen hohen Anteil an der Asche liefern.

Die Kohlenpetrographie ist, wie erwähnt, sehr komplex. Als Fachgebiet wird sie an den Schweizer Hochschulen nicht mehr gelehrt, in Deutschland (z.B. Freiberg in Sachsen), Österreich und Frankreich gibt es diverse Institute.

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Nicht nur Kohlenstoff in der Kohle

Es mag erstaunen, dass 76 der 92 natürlich vorkommenden Elemente in Kohle vorhanden sein können (können, nicht müssen). Kohlenstoff macht natürlich den grössten Anteil aus, je nach Kohlenart von etwa 30 bis weit über 90 Prozent. Schwefel, Stickstoff, Sauerstoff und Wasserstoff sind andere Hauptelemente, welche ebenfalls im Prozentbereich auftreten. Daneben können 10 Nebenelemente mit Anteilen von weniger als 1 Promille bis 1 Prozent vorkommen und 61 Spurenlemente im Millionstelbereich (ppm). Einige der Neben- und Spurenelemente können eine Belastung für die Umwelt sein. So ist beispielsweise bekannt, dass einige Schweizer Molassekohlen (und auch ausländische) leicht erhöhte Gehalte an Uran und Thorium aufweisen.

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Freude an der Kohle ist Zeit-abhängig

Dies war unter anderem ein Grund, dass man vor einigen Jahren bei Bauarbeiten in Horgen keine Freude an der dabei angetroffenen Kohle als Rohstoff hatte (ein paar Tonnen). Vielmehr ging es darum, diese Kohle umweltgerecht zu entsorgen. Das war 1945 noch ganz anders, damals war Käpfnach (Horgen) das grösste Bergwerk im Kanton Zürich und die Kohle ein geschätzter Energierohstoff für die damalige Industrie.

Falls ihr Interesse an historischen Bergwerken in der Schweiz jetzt geweckt wurde, schauen sie doch auch einmal auf die Webseiten der Schweizerischen Gesellschaft für historische Bergbauforschung: www.sghb.ch oder direkt ins Bergwerk Käpfnach: http://www.bergwerk-kaepfnach.ch