Mit dieser Serie veröffentlicht NEROS in loser Folge Wissenswertes zu Rohstoffen und Gesteinen, natürlich immer auch mit einem Bezug zur Schweiz. Die Folien stammen von Rainer Kündig aus Vorlesungen im Themenbereich angewandte Mineralogie, zusammengestellt für das Departement Erdwissenschaften der ETH Zürich, für NEROS und für andere Lehrveranstaltungen.
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Kalk/Kalzit respektive Kalziumkarbonat respektive CaCO3 … ein Allerweltsmineral im täglichen Gebrauch
Egal ob wir uns das fantastische Taj Mahal in Indien ansehen oder die schneeweissen Marmorberge in Carrara (Italien) oder kleinste Kalkpartikel unter dem Elektronenmikroskop – Kalziumkarbonat (CaCO3 in der chemischen Schreibweise) ist im Spiel.
Sei es als Baustein, als Bindemittel oder als Füllstoff, Kalziumkarbonat ist allgegenwärtig in unserem täglichen Leben. Bereits am frühen Morgen kommen wir mit ihm beim Zähneputzen in Kontakt. Auch beim Transport unserer Einkäufe in der Plastiktüte, wo Kalziumkarbonat ein geschätzter und günstiger Füllstoff ist. Ebenso wie im Papier, wo sie ohne die mineralischen Füllstoffe Vorder- und Rückseite nicht ohne Durchscheinen beschreiben könnten. In der Landwirtschaft und im Umweltschutz spielt Kalziumkarbonat eine entscheidende Rolle, sei es bei der Wasseraufbereitung oder bei der Entsäuerung von Böden und Wäldern, um nur einige Beispiele zu nennen.
Gründe genug, um sich dieses Mineral (Kalzit) und diesen Rohstoff (Kalziumkarbonat) etwas genauer anzusehen.
Entstehung
Hartes Wasser, das heisst Wasser mit viel Kalzium-Ionen ist gut und erfrischend zu trinken. Beim Erhitzen in der Pfanne bleibt jedoch ein weisslicher Belag zurück, der fleissig weggeputzt wird – Kalk, respektive Kalziumkarbonat. Im grösseren Stil passiert dies in Meeressecken und Seen, wo die chemische und die biogene Ausfällung wichtige gesteinsbildende Prozesse sind. Zahlreiche Organismen bauen Kalk in ihre Schalen oder in ihr Skelett ein und hinterlassen beim massenhaften Absterben mächtige Sedimentschichten. In der reinsten Form ist dies in den schneeweissen Kreideklippen zu bestaunen – Relikte aus der Kreidezeit, wo Mikroorganismen unter den damaligen klimatische Bedingungen riesige Mengen an hochwertigem Kalk produziert haben. Auch in der Jurazeit sind sehr viele Kalkgesteine entstanden, davon zeugen die mächtigen Sedimentserien im Juragebirge. In der Regel braucht es also zwei Schritte zur Bildung von Sedimentgesteinen. Zuerst lagern sich lose Materialien schichtweise ab, um dann im nächsten Schritt, der Diagenese, durch Druck oder Zementanion zum Gestein verfestigt zu werden. Spätere, gebirgsbildende Prozesse, verwandeln unter Druck und Temperatur Kalkgesteinen in Marmore.
Kalk und Kalziumkarbonat in der Industrie
Kalk spielt in der Bindemittelindustrie eine wichtige Rolle. In der Zementindustrie wird aus Kalk und Mergel Klinker hergestellt. Es eignen sich dazu verschiedene Kalke, auch mergelreiche Varietäten, welche von den derzeit sechs Zementwerken (LafargeHolcim (www.holcim.ch), Jura Zement (www.juracement.ch), Vigier (www.vigier.ch)) in der Schweiz genutzt werden. Reine Kalke mit einem sehr hohen Anteil an Kalziumkarbonat werden in der Kalkindustrie für die Herstellung verschiedener Kalkprodukte verwendet, beispielsweise Branntkalk, Kalkhydrat, Weisskalk etc.). Die einzige, heute noch produzierende Kalkfabrik der Schweiz ist im GlarnerIand bei Nesttal (KFN Kalkfabrik Nesttal AG, www.kfn.ch). Bis 1993 wurde auch in der Kalkfabrik St. Ursanne (JU) Stückkalk, Kalkhydrat und Kalksteinmehl produziert. In der Natursteinindustrie werden diverse Kalke als Bausteine verwendet. Geschätzt sind insbesondere metamorphe Varietäten, hochweisse Marmore oder ästhetisch maserierte Marmorvarietäten. In der Kalziumkarbonat Industrie werden hochwertige, das heisst möglichst reine Kalke oder Marmore verwendet, um mittels physikalischer Trennverfahren (z.B. Mahlen, Schlämmen, Flotation) hochreines Kalziumkarbonat CaCO3 zu gewinnen. Kalziumkarbonat wird auch mittels chemischer Verfahren (Ausfällung) in grossen Mengen produziert. In der Schweiz ist aus der ehemaligen Plüss-Staufer AG in Oftringen die Oma (www.omya.ch) entstanden, ein heute führender Weltkonzerne im Kalziumkarbonat Markt.
Brechen – Mahlen – Brennen: Kaum eine Industrie, die nicht mit Kalkstein und Kalziumkarbonat in Kontakt ist
Im 2001 erschienenen Buch „Calciumkarbonat – Von der Kreidezeit ins 21. Jahrhundert“ (Herausgegeben von Wolfgang, F. Tegethoff; Birkhäuser Verlag ISBN 978-3-0348-8259-0) ist eine gute Übersichtsdarstellung von Kalkstein und Kalzumkarbonat und deren Anwendung in verschiedenen Industriezweigen und anderen Anwendungsbereichen. Von der Bildhauerei über die Landwirtschaft, die Füllstoff-Industrie, die chemische Industrie bis in den Umweltschutz und in die Lebensmittelindustrie, überall ist Kalziumkarbonat in der einen oder anderen Form im Einsatz (Bild 5). Erstaunlich mag für viele sein, dass der Kalziumkarbonatanteil in Papier fast 50% ausmacht, ebenso bei Farben und Lacken und bei Plastik kann er sogar um die 70% liegen (Bild 6). In der Papiertechnologie wurden denn auch verschiedene Innovationen gemacht, um in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Kalziumkarbonat als Füllstoff auftragen zu können, das sogenannte Bestreichen, respektive Veredeln von Papieren. Die Korneigenschaften von Kalziumkarbonat spielen dabei eine wichtige Rolle – je kleiner und „runder“ ein Mineralkorn ist, desto mehr Material lässt sich in den Papierfasern verfüllen (Bild 7). Von grosser Bedeutung ist die Konsistenz der Streichfarbe und die schnelle Trocknung, werden doch mehrere Kilometer Papier pro Minute bestrichen (Bild 8). Zwischen dem Rakel mit der Streichfarbe und der Papierrolle können dabei enorme Kräfte entstehen, die jenen von Gebirgsbildungsprozessen nahekommen. Tierfutter enthält oft auch Kalziumkarbonat, einerseits wegen der Fähigkeit Säuren zu neutralisieren, andererseits auch wegen den abrasiven Eigenschaften für die Zähne, die übrigens auch in der Zahnpasta geschätzt werden. Im Zusammenhang mit dem grösser werdenden Problem des sauren Regens und der Versäuerung von Seen und Wäldern, wird Kalziumkarbonat in grossen Mengen zur Neutralisation und zur Bodenverbesserung eingesetzt (Bild 9).

Bild 5: Einsatzmöglichkeiten von Kalziumkarbonat Quelle: Calciumkarbonat – Von der Kreidezeit ins 21. Jahrhundert“ (Wolfgang, F. Tegethoff, Hrsg.; Birkhäuser Verlag ISBN 978-3-0348-8259-0)
Kalzit, Aragonit und Dolomit
Ein kleines Detail im Kristallsystem (Bild 10) wurde schon manchem Fassadenbauer zum Verhängnis. Kalzit gehört zum trigonalen Kristallsystem mit zwei gleichlangen und einer längeren Kristallachsen und keinen rechten Winkeln zwischen den Achsen. Weil die thermische Ausdehnung (und Kontraktion) entlang der Achsen verschieden ist, kann bei ungünstiger Verteilung der Mineralkörner im dümmsten Fall eine schleichende Akkumulation der Ausdehnungseffekte stattfinden und die Platten wölben sich (Bild 11). Wie gesagt, im dümmsten Fall und nur bei einigen, von der metamorphen Entstehung her benachteiligten Marmorarten, denn in der Regel sind die Mineralkörner in ihrer Lage statistisch verteilt und gleichen minime Längenänderungen aus.
Kalk als Bindemittel
In der Eingangs erwähnten Kalkfabrik Netstal AG (www.kfn.ch) werden aus Malm-Kalk als Rohgestein diverse Produkte (z.B. Branntkalk, Stückkalk, Weissfeinkalkhydrat) hergestellt. Durch Brennen (Kalzinierung) von meist hochprozentigem Kalkstein bei Temperaturen unter dem Sinterungspunkt (etwa 900 bis 1200°C) entsteht Branntkalk (CaO) unter Abgabe von CO2. Wenn Wasser zugegeben wird, reagiert dieses Produkt heftig und bildet Kalkhydrat (Ca(OH)2), wobei die gebrannten Kalkbrocken zerfallen. Durch zusätzliche Wasserzugabe wird auf der Baustelle eine Paste hergestellt, die anschliessend durch Wasserverdunstung und Aufnahme von CO2 aus der Luft zu Kalziumkarbonat (Karbonatisierung) erhärtet (CaCO3). Die chemischen Reaktionen sind schematisch im Bild 12 dargestellt.
Viel eindrücklicher als der schematische gezeigte industrielle Prozess ist der Kalkbrand in einer künstlerischen Annäherung.
Im Sommer 2014 wurde durch den Kalkbrenner Joannes Wetzel mit Team im Val S-Charl im Unterengadin in einem nach alten Regeln kunstvoll aufgebauten Kalkbrennofen Branntkalk und Kalkhydrat hergestellt. Der ganze Prozess wurde vom Prättigauer Kunstschaffenden Urs Furrer (Bild 13) in imposanten Bildern festgehalten – eine wunderbare Visualisierung der „trockenen“ Formeln von Bild 12. Das hier mit dem Einverständnis des Künstlers verlinkte PDF-Dokument sei jedem Kalk- und Kunstliebhaber wärmstens zur Durchsicht und zum Genuss empfohlen. In diesem Zusammenhang ist ein Blick auf die Webseite von calcina, (www.calcina.ch), dem Fachverband für Kalk, zu empfehlen. Man erfährt dort unter anderem, wo und wann ein neuer Kalkbrand im Herbst 2017 im Unterengadin (Sur En da Sent) stattfindet.
Übrigens wurden 2015 und 2016 in der Heinzenkapelle, nahe St. Antönten GR, als Visualisierung der hochreinweissen Kalkfarbe verschiedene Kalkbrocken im Bachbett quasi mit ihrer eigenen Farbe hervorgehoben. Ein prachtvolles und mit der Zeit vergängliches Objekt für das interessierte Auge. Man darf jetzt schon gespannt sein, was das kunsthungrige Auge in diesem Jahr ab Anfang Juli in der Heinzenkapelle erwartet (Informationen dazu via www.art-depot.ch, Stichwort Heinzenkapelle)
7. Juni 2017/RK
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